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BaZ:

Wir befinden uns hier im Untergrund. In einer Stadt unter einer Stadt, in einer Wirklichkeit unter der Oberfläche. Ist das hier ein Sehnsuchtsort?

Klaus Littmann: Kann er werden. Naturgemäss wohl am ehesten an der Bar hier.

Franz Burkhardt:

Also Sehnsuchtsort? Ich weiss nicht. Ein Aufenthaltsort ist es bestimmt.

«Central Station» erinnert in seiner ­Konzeption an Ihr letztes Projekt, die «Canal Street» in Arlesheim. Ist die Stadt die Fortsetzung der Strasse?

KL:

«Canal Street» war das erste Mal, dass Franz Burkhardt und ich einen Strassenzug in einer Industriehalle in Arlesheim realisiert haben. Dadurch wurde das Interesse der Besitzer der Liegenschaft an der Sternengasse geweckt, die mich angefragt haben, ob ich nicht eine Idee für diese Räumlichkeiten hätte. Mir war klar, dass ich das nur wieder zusammen mit Franz tun kann, und uns beiden kam sofort die Idee einer Stadt in der Stadt. Insofern ist «Central Station» tatsächlich eine Fortsetzung der «Canal Street».

Was hat Sie, Franz Burkhardt, daran gereizt, Ihr Projekt fortzuführen und darüber hinaus noch zu erweitern?

FB:

Hier ging es von Anfang an um die Räume innen drin. Die «Canal Street» sollte ursprünglich bloss ein Strassenzug sein, und die Räumlichkeiten kamen erst später dazu. Bei «Central Station» ging es darum, nicht nur eine äussere Hülle zu schaffen, sondern Immobilien zu bauen, die von den den Nutzern dann übernommen werden.

Aber die Topografie der Stadt haben Sie bestimmt?

FB:

Wir haben diese Strassenzüge mit ihren Innenräumen so gestaltet, wie wir das wollten. Es ist ein bisschen wie bei Pippi Langstrumpf: «Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.» Dann haben wir diese Immobilien wie im richtigen Leben den Nutzern angeboten. Wir haben nicht ein Geschäft auf eine bestimmte Nutzung hin gebaut.

KL:

Das hat sich wirklich wie im richtigen Leben abgespielt. Es ist zwar alles nicht echt, aber sehr real. Es ist eine Stadt der beinahe unbegrenzten Möglichkeiten.

Sie bauen eine fiktive Stadt, aber es ist nicht die Replika eines bestimmten Ortes?

FB:

Kunst ist auch immer Nachahmung, ausser das Bemühen der abstrakten Kunst. Aber was Sie hier sehen, die Architektur, die gibt es nur hier. Es ist kein Naturalismus. Aber naturgemäss sind es auch Erinnerungsbücher von Versatzstücken.

Wir sitzen hier zusammen in der Larry’s Bar. Ist das eine Adaption der Harry’s Bar in Venedig und weshalb ausgerechnet diese?

KL:

Weil für mich die Harry’s Bar nicht nur der Inbegriff einer Bar ist, sondern auch eine Art zweites Zuhause. Der Fussboden beispielsweise ist fast der gleiche, auch wenn unser nur aus Kunststoff ist. Mir gefällt vor allem der Stil der Harry’s Bar mit einer gepflegten Barkultur und die möchten wir hier auch aufleben lassen, weil ich sie in Basel etwas vermisse.

Die Larry’s Bar ist nur einer von rund 20 Räumen, die Sie kuratieren. Wie stellen Sie sich das Ganze vor?

KL:

Entstehen soll eine Umsetzung unserer Idee, dass der Kunst- und der Alltagsraum miteinander verbunden werden. Der Kunstraum steht dabei im Vordergrund. Da ist etwa Enrique Fontanilles’ «link-tank», ein Institut für Kunst und Vermittlung mit dem Ziel, Zitat: «Link-tank ermöglicht Studierenden eine individuell gestaltbare Mitarbeit am Forschungsprojekt.» Da sind aber auch alltagskulturelle Räume wie beispielsweise eine Sprachschule für Expats und ein Design- und Grafikatelier.

Bislang haben Sie immer Kunst im öffentlichen Raum initiiert. Wird der öffentliche Raum hier nun selber zur Kunst?

FB:

Das kann man so sagen. Speziell ist sicherlich, dass wir eine Stadt in der Stadt selber herstellen. Es ist die Simulation einer Stadtteilentwicklung.

KL:

In der Realität ist die klassische Entwicklungsgeschichte eines Quartiers: Milieu, Kreative und dann das Kapital, das wiederum das Kreative und das Milieu «unbezahlbar» macht. Wir gehen sozusagen den umgekehrten Weg, wir erobern uns die relative Jungfräulichkeit der Orte zurück.

Sie sprechen von Stadtentwicklung. Wird sich Ihr Projekt auch laufend verändern?

KL:

Ja, sicherlich. Hier passiert das, was im Alltag ebenfalls geschieht: Die Dinge verändern und entwickeln sich wie in einer realen Stadt auch; Altes vergeht, Neues entsteht – Geschäfte, Fassade, Geschichte, Inhalte. «Central Station» ist eine künstliche Spiegelung real existierenden Stadtlebens.

FB:

Das Ganze ist wie eine Art Puppenhaus oder ein Kaufmannsladen. Ein Stübchen, das man sich als Kind baut und eine kleine Küche reinstellt.

Welche Behauptung steht hinter dem Projekt?

KL:

Die Behauptung ist ja jetzt da, vor unseren Augen.

FB:

Ich habe jetzt ein halbes Jahr an diesem Projekt gearbeitet und der Reiz besteht für mich darin, hier auch mit verschiedenen Handwerkern zusammenarbeiten zu können. Ich habe mal behauptet, dass Kunst eigentlich nur schlechtes Handwerk sei. Hier geht es jedoch um gutes Handwerk, um Materialforschung. Wir haben ausprobiert, wie wir etwas effektiv und schnell bauen können, dass trotzdem eine glaubwürdige Anmutung entsteht. Dabei ist etwa die Idee entstanden, beispielsweise eine Wand mit Nescafé anzumalen.

Faszinierend ist Ihre Detailbesessenheit. Was bringt Sie dazu, jedes Namensschild und jede Türklingel nachzu­ahmen?

FB:

Das hängt auch mit meiner künstlerischen Arbeit als Zeichner zusammen. Hier möchte ich auch ganz ins Detail gehen. Oftmals sind es Nachahmungen von Fotovorlagen. Wenn man mit dem Bleistift fotografisch genau werden kann, kann man auch versuchen, mit Styropor, Gips und Spachtel architektonisch zu werden.

«Central Station», die Stadt als drei­dimensionales, begehbares Gemälde?

KL:

Wenn Sie so wollen. Es ist eine künstlerische Installation, eine Intervention, eine Schichtung des Urbanen, ein Kommentar auch. Wenn man aufmerksam durch sie flaniert, sieht man kurze, textliche Statements von Franz Burkhardt. Es handelt sich um situative Kommentare von ihm. Und sie bringen einen auf eine völlig neue Idee, auf eine Strasse einer neuen und unerwarteten Dimension dessen, was man hier sieht und wahrnimmt.

FB:

Die Schichten spielen eine wichtige Rolle, weil sie eine Geschichte in der Erzählung dieser Stadt sind. Und zuletzt legen sich die Sprüche wie eine Haut nochmals darauf. Das soll auch die Besucher animieren, ihre Kommentare beizusteuern. Kann dann natürlich aber sein, dass wir sie wieder wegwischen.

Da ist keine Sorge, dass Menschen gegenüber der Kunst-Stadt eine Schwellenangst haben könnten?

KL:

Es gibt keine Schwelle. «Central Station» ist kein Museum, es kostet keinen Eintritt. Es ist kuratierter, kultureller Alltagsraum. Wir würden es schätzen, wenn die Leute in die Stadt abtauchen, weil sie in eine Bar wollen. Weil sie hier Musik hören wollen, eine Flasche Wein kaufen, etwas zu essen. Weil sie hier leben möchten. Wir möchten, dass die Leute sich diesen Ort aneignen und ihn sich zu eigen machen. Und dass sie ihn nicht nur, aber auch als Kunstintervention wahrnehmen.

Wie lange dauerte das Erschaffen dieser Kunst-Stadt?

KL:

Anfang April wussten wir noch nichts davon. Also hatten wir nur ein gutes halbes Jahr Zeit.

Wenn man ein gutes halbes Jahr sein halbes Leben hier unten verbringt und man dann, wie ein Bergbauarbeiter, zurückkehrt in die Mauern der «wirklichen» Stadt, fragt man sich dann, welches jetzt die reale Welt ist?

FB:

… die Sache mit dem «Innen-­Aussen-Innen». «Central Station» ist ja die Innenwelt der Innenwelt der Aussenwelt…

Wie bitte?

FB:

… das ist nicht von mir. Das ist von Peter Handke, glaube ich. Also, du bist hier in einer Stadt, in einem Gebäude. Und in dieser Stadt sitzt du in einer Bar. Und da draussen ist ja nochmals eine Stadt, die aber ebenfalls innen ist, weil über ihr ist ja noch die Stratosphäre, die sie vom Aussen trennt. So gesehen ist «Central Station» eine unglaubliche Verdichtung. Wie ein Architekturmodell vielleicht, eben nur im Massstab 1:1.

Und was wird in den nächsten Wochen und Monaten geschehen in dieser verdichteten Stadt?

KL:

Franz arbeitet weiter, als Erstes. Es werden neue Gebäude entstehen. Einer nach dem andern werden Benutzer ihre Räume eröffnen. Am Freitag geht es jetzt erst einmal um die Installation. Am Samstag aber bereits öffnen drei Räume ihre Türen. Die Brockenstube etwa, die natürlich nicht einfach eine Brockenstube ist, sondern eine kuratierte, eine, deren Thema einem dauernden Wandel unterworfen ist. Der Kleiderladen wird auch eröffnen, das Lebensmittelgeschäft ebenfalls. So wird es weitergehen.

FB:

Vermutlich. Irgendwas zwischen gleichzeitiger Beschleunigung und Verlangsamung.

KL:

Genau. Das Leben wird Fahrt aufnehmen, egal in welcher Richtung. «Central Station» ist ja auch die erste absolut autofreie Stadt der Welt, aber das nur nebenbei. Im Frühling werde ich den «Salon des dessins» eröffnen. Natürlich zeige ich da als Erstes die Zeichnungen von Franz, weil ich ihn nicht nur als Erbauer dieser Stadt darstellen möchte, sondern auch sein zeichnerisches Werk präsentieren. Dann wird die Plattform eröffnet, in der ich Menschen und ihr Schaffen vorstelle, von denen keiner weiss, dass sie es tun, grosse Kleinkunst, könnte man sagen, etwa einen pensionierten Herren, der Stehlampen schafft.

Die Schichten der Stadt als Vielschichtigkeit der Kunst und die wiederum als Hautschicht des urbanen Lebens?

FB:

Könnte von Handke sein …

KL:

Handke war ja gelegentlich ein Flaneur in der grossen Tradition von Walter Benjamin. Darum geht es: in der Geschichte einer selbst geschaffenen Welt seiner eigenen zu begegnen.

«Central Station»: Sternengasse 19. Öffnungzeiten: Montag bis Mittwoch sowie am Samstag von 9 bis 20 Uhr. Donnerstag und Freitag bis ein Uhr morgens. Mindestens. info@centralstation.me

Más traducción no disponible – CENTRAL STATION, Basel 2016 bis Ende 2018

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