Seiner Kunst begegnete ich zuerst. Als ich noch Schüler war. Jean Tinguely stellte zum ersten Mal in der Basler Kunsthalle aus. Und ich war von seinen Maschinen einfach weg. Das Ganze hat mich überrollt, nächtelang nicht mehr schlafen lassen.

Bei Eva Aeppli’s Arbeiten war’s anders: Ich wusste nichts von ihr. Als ich in der Galerie von Felix Handschin in Basel arbeitete, rief immer wieder eine Frau an. Es war die Stimme Eva Aepplis. Und so kam es, dass Handschin mich zu ihr nach Paris schickte.

Eva Aepplis Appartement war so, wie ich mir eine Pariser Künstler-Bleibe stets vorgestellt hatte: ein altes Haus, oberster Stock mit Dachschräge und grossen Fenstern, Paris zu Füssen. Ich sehe noch heute die unheimlichen Figuren, die in Eva Aepplis Wohnung herumsassen, und die alte Tret-Nähmaschine, auf der ihre Kunst zum Leben erwachte.

Später habe ich Eva Aeppli in ihrem Landhaus ausserhalb von Paris besucht. Ich wollte mit ihr eine Ausstellung machen. Am dritten Tag meines Aufenthaltes entdeckte ich Bilder, die mit dem “Gesicht” zur Wand standen, mit Löchern und verstaubt. Ich kehrte sie um. Und sah Köpfe – triste, graue Köpfe – die einen immens starken Eindruck machten.

«Das ist vorbei», sagte Eva. «Ich bin nun ganz auf meine Figuren übergegangen. Mit der Malerei bin ich seit 20 Jahren fertig.» Ich war schockiert. Die Bilder gehörten zum stärksten, was ich je gesehen hatte. Ich bat sie, die Sachen in meiner Basler Galerie ausstellen zu dürfen. Sie willigte nur zögernd ein. Die Ausstellung wurde ein Riesenerfolg, weitere folgten.

Eva Aeppli hat ihr Werk immer eher als Botschaft denn als Laufbahn verstanden. Dino Buzzati hat sie 1962 als “Malerin des Todes” bezeichnet. Sie ist in die Höllen der Konzentrationslager herabgestiegen, deren Schatten Europa noch verdüsterten, malte grossformatige, beeindruckende Bilder, und beinahe wäre sie von dort nicht mehr zurückgekehrt.

Aber es wäre richtiger, sie "Künstlerin der Menschen“ zu nennen. Die menschliche Existenz war seit je ihr Thema, es wurde ihre Aufgabe, alle Aspekte des menschlichen Lebens zu erfassen. Später hat sie eine Skulpturentechnik entwickelt, deren Formen aus genähter Seide mit Kopakfüllung bestehen. Die Art und Weise, wie Eva Aeppli Textilien verwendete, um Skulpturen herzustellen, ist unvergesslich.

Viva Eva

Fotos: Christian Baur, Paul Frank Talmann, Stefan Holenstein, Leonardo Bezzola

Ausstellungen
1985 Galerie Klaus Littmann, Basel
Frühe Ölgemälde

1986 Art Basel, Galerie Klaus Littmann
Groupe de 48 (1969), Olga (1972), Ölgemälde (1960–1965)

1990 Galerie Klaus Littmann, Basel
Ölgemälde, Bronzen (1976–1987)

1991 Galerie Klaus Littmann, Basel
“Collaboration” – Eva Aeppli & Jean Tinguely

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